ChatGPT – nicht für alle Zwecke der ideale Textautor

Seit seiner Veröffentlichung im November 2022 hat der auf künstlicher Intelligenz basierende Chatbot ChatGPT weltweit großes Aufsehen erregt. Das Tool nutzt künstliche Intelligenz, um Anordnungen und Fragen zu „verstehen“ und auf der Basis des gesammelten Wissens des Internets Antworten zu erarbeiten. Dafür muss es zuvor entsprechend trainiert werden. Das Prinzip des Algorithmus ist es nämlich, auf Grund der Analyse von Millionen von Texten die wahrscheinlichste Wortfolge zu ermitteln. Was unter der Bezeichnung „Intelligenz“ läuft, hat also nichts mit einem irgendwie der menschlichen Intelligenz vergleichbaren „Verstehen“ zu tun, sondern ist ein auf mathematisch-statistischen Grundlagen fußendes, hoch komplexes Ratespiel mit verblüffend präzisen Ergebnissen. Auf dem derzeitigen Entwicklungsniveau lassen sich bereits erstaunlich wertvolle Texte für die unterschiedlichsten Zwecke erzeugen.

Da das Tool kostenlos und sehr einfach zu bedienen ist, haben Millionen von Anwendern damit bereits umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die wiederum die Qualität des lernfähigen Tools steigern: Mit jeder Anfrage lernt ChatGPT dazu, denn es behält die vorherigen Fragen und Antworten „im Kopf“. Allerdings bleibt festzuhalten, dass alle Antworten nur so gut sein können wie es die Informationsbasis aus dem Internet hergibt. Ein Problem dabei ist beispielsweise, dass in vielen Fällen das verarbeitete Wissen bereits veraltet sein kann. Überall dort, wo es auf Aktualität ankommt, gilt es, den Output auf den neuesten Stand zu bringen, was den Vorteil des Algorithmus stark reduziert.

Genutzt wird derzeit ChatGPT sowohl für berufliche Zwecke als auch im privaten Bereich. Eine Studie zu den Berufsfeldern, in denen das Tool besonders aussichtsreich verwendet werden kann, kam im Ergebnis zu folgender Liste: technische Berufe (z.B. Entwickler oder Blockchain-Ingenieure), datenintensive Berufe (v.a. Mathematiker, Buchhalter, Steuerberater oder Finanzanalysten) und Kommunikationsberufe (Autoren, PR-Redakteure, Übersetzer, Schriftsteller etc.). All diese Berufsbilder sind sehr stark durch textlastige Vorgänge und Methoden geprägt.

Im privaten Bereich wird ChatGPT inzwischen ebenfalls überall dort genutzt, wo Texte als wichtiger Informationsträger eine Rolle spielen: Hausaufgaben und Prüfungsarbeiten in Schule und Universität, Kommunikation mit Behörden und Unternehmen sowie für persönliche Recherche- und Kommunikationszwecke.

 

Bewerben mittels ChatGPT?

Vermehrt taucht dabei die Frage auf, inwieweit sich der Algorithmus auch für die Erstellung von Bewerbungsanschreiben eignet. Insbesondere für Menschen, die sich mit dem Verfassen von Texten schwertun, kann ChatGPT eine wichtige Unterstützung bieten, weil sein Output in der Regel gut formuliert ist. Da sich die Inhalte auch an Längenvorgaben anpassen, lassen sich allzu kurze oder zu lange Texte durch entsprechende Eingrenzungen (z.B. 150 Worte) vermeiden.

Wichtig ist dabei erfahrungsgemäß, die Aufgabe an den Chatbot so präzise wie möglich zu formulieren, also Details zu den ausgeschriebenen Tätigkeitsprofilen und den eigenen Fähigkeiten und Vorlieben einzubringen. Das Ergebnis muss dann allerdings nochmals sorgfältig überprüft werden, damit keine Fehler enthalten sind oder ein ungünstiger Eindruck entsteht. Erfahrene HR-Kräfte berichten auch von verbesserungswürdiger Sprache: Stilistische und grammatikalische Details lassen offenbar manchmal die Vermutung aufkommen, dass ein Algorithmus am Werk gewesen sei.

Ein entscheidender Nachteil des Algorithmus für diese Aufgabe ist jedoch, dass er weder über die Fähigkeit zur Integration von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen noch über Empathie, Freundlichkeit und andere in der menschlichen Psyche verankerte Charakteristiken verfügt. Letztlich sind es aber in den Unternehmen und Organsationen immer Menschen, die Menschen einstellen. Die Unternehmen sind erfolgreich, weil einerseits die eingestellten Personen zu den eigenen Zielen und Werten passen, andererseits das wirtschaftliche Gedeihen des Betriebs fördern können. Eine Software, die Menschen und Menschlichkeit nur simuliert, kann niemals Authentizität erzeugen, sondern immer nur vortäuschen. Personalspezialisten, an die sich das Anschreiben richtet, erhalten von ChatGPT kaum tiefere Einblicke in die individuelle Persönlichkeit, die Wertvorstellungen und das menschliche Eignungsprofil des Bewerbers, der sich nicht durch seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten von Wettbewerbern abheben kann. Über rein faktische Passagen (Tätigkeitsbeschreibungen, Werdegang etc.) hinaus scheint es daher eher nicht ratsam zu sein, ChatGPT das Verfassen der gesamten Bewerbungstexte zu übertragen.

Allerdings gilt auch hier: ChatGPT und die zahlreichen Konkurrenzsysteme werden sprachlich und stilistisch immer besser und die Informationen, die sie verarbeiten und analysieren können, immer umfassender. Dies wirkt sich auch auf die Verwendbarkeit für sehr persönliche Texte aus. Wir werden Sie zu allen Entwicklungen hierzu weiter auf dem Laufenden halten.

Sven Neumann, Gründer und Geschäftsführer des Bildungsträgers competence2u